Kontrollfelder – Programmieren als künstlerische Praxis

05. April 2002 - 05. Mai 2002 hartware medien kunst verein

Eröffnung 5. April 2002, 19 Uhr
hartware medien kunst verein

Einführung

Der hartware medien kunst verein zeigte mit „Kontrollfelder – Programmieren als künstlerische Praxis“ bundesweit die erste Ausstellung internationaler Softwarekunst.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Berliner Medienkunstfestival „transmediale“ entstanden und umfasst zehn aktuelle Softwarekunstproduktionen. Sie wurde von Andreas Broeckmann (Leiter der transmediale) und Matthias Weiß kuratiert, das Präsentations-konzept entwickelte hartware.

SoftwarekünstlerInnen entwickeln Computerprogramme, welche die Grenzen und Möglichkeiten gängiger Software überschreiten oder ihre Funktionen ad absurdum führen. Nicht das fehlerfreie, optimierte Funktionieren, sondern eine durchaus lustvoll zu erfahrende „Dis-Funktionalität“ und Eigendynamik der Programme stehen dabei im Vordergrund. Die KünstlerInnen begreifen Software überdies nicht als Werkzeug, sondern den Code als entscheidendes ästhetisches Material ihres künstlerischen Schaffens.

Der Computer kann nicht mehr ausschließlich als Werkzeug oder Maschine betrachtet werden. Er ist vielmehr ein Medium, welches das Wie und das Was unserer Wahrnehmung entscheidend mitbestimmt. Wesentliche Gründe hierfür liegen einerseits in der weit reichenden Verwendung. Auch Software ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Software reguliert weite Bereiche des Alltags, sei es im Einwohnermeldeamt oder bei der Bank. Selbst im Kinderzimmer sind Bildschirme an der Tagesordnung, und das Internet bestimmt zu weiten Teilen die schriftliche Kommunikation, ersetzt und ergänzt Nachrichtenmedien und Lexika. Während die meisten PC-BenutzerInnen die Möglichkeiten und vor allem die Einschränkungen kommerzieller Software als gegeben hinnehmen, zeigen SoftwarekünstlerInnen offene Handlungs- und Gestaltungsspielräume bei der Entwicklung eigener und eigenständiger Programme auf. „Do it yourself!“, die Parole der transmediale 01, ist das "Paroli", das die KünstlerInnnen den einschlägigen Softwaremonopolisten bieten.

Die Metaphorik der Benutzeroberflächen, sic „Kontrollfelder“ heutiger Betriebssysteme verspricht Freiheit. Doch von was? „Software is mind control“, schreibt das Künstlerduo I/O/D. KünstlerInnen-ProgrammiererInnen umreißen diese Felder in ihrer Kunst und stellen sie unter die Kontrolle ihrer Software. Dabei wird der Hype um das Internet ebenso zu Thema wie die Simulation von Umwelt in Computerspielen.


Workshop für Jugendliche, 15. - 19. April 2002
http://art.net.dortmund.de/lowlive

Der Medienaktivist und -gestalter Micz Flor bietet im Rahmen der Kontrollfelder einen Workshop für Jugendliche (15 - 20 Jahre) an, der sich der Musikproduktion und dem DJ-ing mit dem Computer widmet. Mit den Mitteln des Linux-Betriebssystems und freier Software werden Songs und Playlisten generiert, gemischt und für das Online-Übertragen mit einem Internet-Radio-Programm aufbereitet.

Teilnehmende Künstler Kontrollfelder 2002

Scott Draves a.k.a. Spot
Künstler, *1968, lebt und arbeitet in San Francisco, USA

Electric Sheep, 2001
http://www.electricsheep.org

Scott Draves a.k.a. Spot ist ein Spezialist in Computer gestützter Visualisierung und Programmierer, der in San Francisco lebt und arbeitet. Auf der Ars Electronica 1993 erhielt er eine Lobende Erwähnung. 1997 promovierte er an der Carnegie Mellin im Fachbereich Computerwissenschaften. Seitdem arbeitet er neben seiner künstlerischen Tätigkeit als Programmierer für diverse Startup-Unternehmen. Scott Draves verknüpft zahllose Computer über eine Internetverbindung miteinander, um einen willkürlich gesteuerten, sich permanent aktualisierenden Bildschirmschoner zu generieren. Mit der Verknüpfung der Rechner untereinander geht auch ein Teilen der Rechenkapazität einher. Electric Sheep zitiert den Titel der Romanvorlage zum Film „Blade Runner“ (Philip K. Dick: Do Androids dream of Electric Sheep?) und spielt auf poetische Weise mit der Idee, dass es so etwas wie eine Beseelung der Technik gibt. Diese veranschaulicht das kleine Programm „electric Sheep“. Während der Benutzer abwesend ist, verfällt der Computer in einen Ruhezustand. Alles sieht aus wie bei einem normalen Bildschirmschoner. Doch gemeinsam mit einer wechselnden Zahl von angeschlossenen Rechnern zählt er „Schäfchen“ und platziert sie als rotierende Farb- und Formenwolken auf dem Bildschirm. (Matthias Weiß)


I/O/D
Künstlergruppe, 1994 - 1998, Cardiff und London, UK

hartware
2002 Kontrollfelder

Web Stalker, 1997
http://www.backspace.org/iod/

I/O/D war eine Künstlergruppe, die zwischen 1994 und 1998 in Cardiff und London existierte. In dieser zeit produzierten die Mitglieder Matthew Fuller, Colin Green und Simon Pope vier Arbeiten, die das Themenfeld Software, Schnittstelle und digitale Kultur untersuchten. Den mittlerweile als „Klassiker“ der Netzkunst geltende Browser „Web Stalker“ von der britischen Künstlergruppe I/O/D zeigt die Ausstellung unter einem anderen Aspekt künstlerischer Softwareproduktion. Es handelt sich hierbei um ein Programm, dass mit einfachen grafischen Mitteln verborgene Strukturen von Internetseiten anschaulich macht. Der Web-Stalker zeigt nämlich nicht die glatten Oberflächen von Websites mit all ihrem Blinken, den Bildern und tollen Typographien. Seine Funktion ist es, die Strukturen und Vernetzungen, die in der Regel verborgen dahinter liegen, zu zeigen. Das, was für den Benutzer in der Regel unsichtbar bleibt, öffnet sich dem Blick und der Erkenntnis, dass die Metaphern von Surfen, Netzraum und Ähnlichem sprachliche Hilfskonstrukte sind, um der unendlichen Zahl von Dateien im Netz ein anschauliches Pendant an die Seite zu stellen. Der eigentlichen Einöde aus Dis-Information und informatischer Überforderung werden gerade jene Sprachbilder eigentlich nicht gerecht. Aus ihnen spricht vielmehr eine uralte Sehnsucht, dass die Welt der Maschinen noch unberührt und in Ordnung ist, wohingegen die Sphäre der Vernunft begabten Menschen allen Untergangsmythen getreu verderbt und entzaubert ist. In diesem Sinne leistet die Software ein Stück weit Aufklärerisches, und dies ohne auf das Spezialistenwissen der Macher von Internetangeboten zurückgreifen zu müssen. (Matthias Weiß)


Thomas Kamphusmann
Künstler, *1961, lebt in Dortmund, D

Delphi V. 2.1
Installation, 3 x 1 Meter, Mikrofon, Computer, Drucker
Courtesy: Karl-Ernst-Osthaus Museum, Hagen

Thomas Kamphusmann arbeitete von 1982 bis 1988 als Krankenpfleger. Danach studierte er deutsche Literaturwissenschaft, Linguistik und Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. 1995 schloss er sein Studium mit einer Magisterarbeit zum Thema Algorithmische Textanalyse ab. Im Jahr 2000 beendete er seine Promotion über „Literatur im Rechner“. In ein sprödes Baumarkt-Regalsystem hat der Künstler ein paar digitale Bauteile eingesetzt, die einen vollständigen und funktionstüchtigen Computer ergeben. Jedoch gehorcht der Rechner nur einem Programm: Delphi V. 2.1. Bereits der Name der Software spielt an auf das berühmte antike Orakel. Und wie bei diesem muss auch in der rund drei Meter hohen Installation der Betrachter interpretieren, da die per Zufallsgenerator über einen Nadeldrucker ausgespuckten Zeilen aus einer Datenbank durch einen komplexen Algorithmus zusammen gefügt werden und so etwas wie Sinn suggerieren. Dieser ist keineswegs manifest. Der Betrachter spricht seine Frage in ein Mikrofon, als Antwort erhält er die Unbestimmtheit, welche ein Sprachgenerierungsalgorithmus aufgrund seiner Funktionsweise kreiert. Die Arbeit stellt Interaktivität in Frage und karikiert sie gleichermaßen. Das Medium, so scheint sich hier Marshall McLuhans Medientheorie zu bewahrheiten, bringt ausschließlich sich selbst zur Sprache. (Matthias Weiß)


LAN – Local Area Network
KünstlerInnengruppe, leben in Meilen, CH

Tracenoizer, 2001
http://www.tracenoizer.org

Local Area Network ist eine Schweizer Gruppe von Studenten und Medienwerker, Künstler und Designer, die unter diesem Namen in unterschiedlichen Kontexten zusammen arbeiten, ihre Ressourcen und Fähigkeiten teilen. LAN realisiert Netz basierte, interaktive Projekte. Der „Tracenoizer“ der Künstlergruppe LAN (Local Area Network) ist ein Internet basiertes Programm. Es ist erst einmal ein Angebot im WorldWideWeb und keine autonome Software. Die eigentlichen Funktionen verbergen sich hinter einer kommerziell anmutenden Web-Oberfläche. Es richtet dem Benutzer nach Eingabe des Namens, der Email Adresse und eines beliebigen Passworts, eine persönliche Website bei einem Anbieter privater Homepages, beispielsweise Geocities, ein. Die Daten zur Person sammelt das Programm aus den wenigen gemachten Informationen (Name, Vorname), befragt Crawler und Suchmaschinen danach und erstellt dann automatisch eben jene scheinbar Sinn tragenden Homepages. Anstelle der Bündelung „brauchbarer“ Benutzerdaten, wie es sich beispielsweise Yahoo über das Angebot automatisierter Homepage-Systeme erhofft, produziert der Tracenoizer „Dis-Informationen“ um die eigene Person. Erst durch die Generierung fiktiver, undurchschaubarer Identitäten im Internet, so die Künstler, lassen sich dessen Überwachungsmöglichkeiten einschränken. (Matthias Weiß)


Joan Leandre
Künstler, lebt in Barcelona, ES

RETROYOU R/C, 2000 - 2001
http://www.retroyou.org

retroYou r/c basiert auf einem handelsüblichen Computerspiel. Der Künstler stellte die an der wirklichen Welt orientierten Spielbedingungen auf den Kopf, indem er ein Autorennen sukzessive umprogrammierte. Regeln, durch die Raum, Bewegung, Schwerkraft usw. simuliert werden, manipuliert er. Dabei bleibt das Spiel durchaus funktionstüchtig. In der merkwürdigen Bildwelt bleibt dem Benutzer nicht viel mehr übrig, als sich gelegentlich zu fragen, ob das Programm denn nun auf seine Eingaben reagiert hat oder nicht. (Matthias Weiß)


RSG – Radical Software Group
internationales Kollektiv

Carnivore, work in progress
http://www.rhizome.org/carnivore/

RSG ist ein Kollektiv aus international renommierten und Hand verlesenen Computer-Künstlern. Für Carniore programmierten Künstler wie Mark Daggett, Entropy8Zuper!, Mark Napier und Praystation. Carnivore (Fleischfresser) wurde durch einen Auftrag des FBI inspiriert, in dem es um die programmierung einer Abhör-Software (DCS 1000 alias Carnivore) ging. Carnivore sollte den Datenverkehr des Internet erfassen und darstellen. Mit Hilfe weniger (kostenloser) Programme aus der open source-Szene hat RSG, eine Gruppe weltweit operierender Computer-Künstler, einen Programm-Cocktail zusammen gemixt, der dieselbe Aufgabe quasi zum Nulltarif übernimmt. Verschiedene net.art-Künstler haben zudem Visualisierungen des Datenverkehrs im Netz realisiert. Im Rahmen der Ausstellung wird ein Carnivore-Server permanent abgefragt, und es werden drei Darstellungsweisen gezeigt. Neben der augenscheinlichen Ästhetik wird auch ein politischer Aspekt offenbar: Freie Software wird zugunsten eines proprietären Systems und eines Millionen schweren Auftrag an eine Firma übersehen. Dabei ermöglicht der Carnivore einen ähnlichen Blick hinter die Kulissen von Datenströmen aber auch Abhörmechanismen wie der in seinen Funktionen ähnliche aber kommerzielle Konkurrent. Die Arbeit erhält im Rahmen der Diskussion um die Verwendung von Linux in der Bundesregierung und in öffentlichen Verwaltungen und Ministerien eine weitere Aktualität. (Matthias Weiß)


Simon Schießl
Künstler, *1972, lebt in Berlin, D

Roter Tropfen, 2001
http://www.pinkpicknick.de/TM/index.html

Entgegen der Erfahrung des Sichtbaren zeigt der „Rote Tropfen“ die Bewegung eines Polygons. Der Betrachter sieht zunächst einen roten Ball auf sich zukommen. Er kann diesen mit der Maus bewegen. Gerät die Figur an den Rand der tief blauen Bildfläche, zerplatzt der Ball und sein Ursprung aus einem Vieleck erscheint. Der Arbeit liegt ein Programm zu Grunde, das die Wirkung der Schwerkraft auf einen Ball simuliert. Ein Fehler in der Programmierung führte zu den künstlerischen Effekten, zu der Unbestimmtheit des Systems, denn anscheinend funktioniert es ja. Dass es aber nicht richtig agiert, sieht man ihm nicht an. (Matthias Weiß)


Antoine Schmitt
Künstler, *1961, Paris, FR
http://www.gratin.org/as

hartware
2002 Say Hello to Peace and Tranquility Vexation 1
2002 Kontrollfelder 22 cubes, text

Vexation 1
Softwarebasierte Projektion, 2000

Auf abstrakte und zugleich narrative Weise durchkreuzt Antoine Schmitt in seiner Arbeit "Vexation 1" Ordnungssysteme der Codierung sowie der Definition von "Territorien". Das projizierte, spröde Interface, das an die frühen Generationen von Computerspielen erinnert, zeigt einen Puck, der sich innerhalb der vier Seiten eines Rechtecks bewegt und dabei je Seite auf einen exakt definierten Punkt trifft. Dabei erzeugt der Puck jeweils einen unterschiedlichen Ton, so dass eine Melodie aus vier Tönen entsteht. Das nahezu diktatorische System, das den Puck voranzutreiben scheint, wird jedoch durch einen Widerstand unterlaufen. Der Betrachter wird Zeuge wie "etwas" der Zielgerichtetheit des Pucks entgegenläuft. So ändert sich zum Beispiel die Geschwindigkeit des Pucks, ohne das dabei ein kalkulierbarer Rhythmus zu erkennen wäre. "Vexation 1" basiert auf einem Softwareprogramm, das der Künstler selbst entwickelt hat. Der Titel der Arbeit referiert auf Eric Saties Klavierstück "Vexations", das eine einzige Melodie über 20 Stunden lang 840 Mal wiederholt. (Matthias Weiß)


22 cubes ensemble
Softwarebasierte Projektion, 2001

Antoine Schmitt, Künstler und Programmierer, verfolgt verschiedene, fundamentale Probleme wie „freier Wille“, „Glück“, „Schicksal“ und „Sein“ mittels Kunstwerken und Installationen, in denen abstrakte, künstliche Wesen eine Hauptrolle spielen. Er konfrontiert den Betrachter mit Seinsweisen dieser Wesen durch audiovisuelle Wahrnehmung ihrer „Äußerungen“. Dabei sucht Schmitt sein Material in so verschiedenen Feldern wie Video-Spielen, künstlicher Intelligenz, künstliches Leben, deren Algorithmen er nutzt, um zu einer Klärung der Verhältnisse zwischen Seinsweise /Seinsgrund und Künstlichkeit des Lebens zu kommen. Seine Arbeit ist mittlerweile mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden: Erster Preis, Net Art im Rahmen von media@terra (Athen, 1999), erster Publikumspreis für Installationen im öffentlichen Raum im Rahmen von Interferénces (Belfort, 2000), Lobende Erwähnung im Rahmen des Software-Kunst-Preises der transmediale 01, Mitglied der Jury Software-Kunst-Preis der transmediale 02. Auf abstrakte und zugleich narrative Weise durchkreuzt Antoine Schmitt mit "Vexation 1" dagegen die Mechanismen und definitorische Macht von Code, Zeit und Raum. Das spröde Interface, das an die frühen Generationen von Computerspielen erinnert, zeigt einen Puck, der sich innerhalb der vier Seiten eines Rechtecks bewegt und dabei Töne produziert. Das diktatorische System, das den Puck dabei voranzutreiben scheint, wird zugleich permanent von einem Widerstand unterlaufen. Der Betrachter wird Zeuge wie "etwas" der Zielgerichtetheit des Pucks entgegenläuft. In ähnlicher agiert das „22 cubes ensemble“. Es handelt sich um ein Programm, das keine Interaktion zulässt. In seiner Bild- und Tonsprache stellt es sich in die Tradition des Minimalismus. Gewidmet ist es dem Komponisten Steve Reich. Zu sehen sind 22 visuelle und audible Würfel, die von einander unabhängig sich um ihre Achse drehen. Jeder Würfel ist so programmiert, dass er unabhängig und eigenständig sich bewegt. Dennoch zeigen sich sowohl sichtbare als auch hörbare Rhythmen und ihre Mutationen. Die manifeste Eigenständigkeit des Programms und die Verweigerung von Mechanismen zur Beeinflussung des Programmablaufs stellen gleichermaßen den Begriff der Interaktivität von digitalen Systemen in Frage. (Matthias Weiß)


Peter Traub
Künstler, * 1974, lebt in Menlo Park, USA

Bits & Pieces, 1999
http://www.fictive.org

Peter Traub ist Netzkünstler und lebt in der Bucht von San Francisco. 1999 schloss er sein Studium mit einer Arbeit über Elektro-Akustische Musik am Dartmouth Collega ab. Er komponierte zahlreiche elektronische Musiken und konzentriert sich gegenwärtig auf die Erkundung des Verhältnisses zwischen Internet, Klang und Musik. Traub arbeitet in Kollaborationen, u.a. mit seinem Bruder Gregory Traub oder Amy Alexander. Peter Traub beschäftigt sich in der Hauptsache mit der digitalen Klangerzeugung. Er nutzt hierbei das Internet als eine Oberfläche, gleichermaßen aber auch als Reservoir und Materialspeicher. In der Arbeit „Bit & Pieces“ durchpflügt ein komplexes Programm das Internet nach Sounds und bereitet diese zu Playlisten auf. Der Algorithmus macht dabei keinen Unterschied zwischen Gesprochenem und Musik. Es ist lediglich eine Frage der Dateiendung. Nach einem aus maschineller „Sicht“ erfolgreichen Tag sollten damit pro Tag 25 Dateien bearbeitet worden sein. Die Dateien werden nach der formalisierten Suche und Umwandlung in ein Internet taugliches Format konvertiert und direkt auf den Webserver aufgespielt. Zudem wird beim Download des Nutzers noch eine weitere Zufälligkeitsmaschine in Gang gesetzt, da bei simultaner Nutzung niemals dieselbe Playlist erhältlich ist. Damit ist „Bits & Pieces“ ein höchst komplexes Verfahren, das Internet in seiner Unanschaulichkeit und Unüberschaubarkeit erfahrbar zu machen. Wenn der Benutzer mit seinem Lieblingsplayer die willkürlich addierten Listen hört, weiß er einerseits nicht, was ihn als nächstes Stück erwartet, andererseits ist er gezwungen, über die Kontexte der Arbeit nachzudenken. Kunsthistorisch verortet sich Traub selbst in die Reihe von Schwitters, dessen Prinzip der Collage er auch für seine Klangarbeiten nutzt und gleichermaßen in die Linie aleatorischer Kompositionsprinzipien, wie sie John Cage in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschrieben hat. Mit dem Unterschied, dass es hier weder eine Notation noch ein greifbares Material gibt, aus dem die Stücke sich addieren. Unveränderbar bleibt lediglich der permanent und – so lange Strom fließt – unabänderliche Prozess des Werkes selbst. (Matthias Weiß)


Adrian Ward
Künstler, * 1976, lebt in London, UK

Signwave Auto-Illustrator 1.0, 2002
http://www.auto-illustrator.com

Adrian Ward arbeitet als Software-Künstler und kreiert generative Ton- und Videoarbeiten sowie Prozess basierte Anwendungen für eine Vielzahl von Zwecken. Er beschäftigt sich mit Fragen nach Autorschaft und die Erweiterung ästhetischer Subjektivität in Programmcode, eine Aktivität, die seiner Einschätzung nach seit Beginn der Programmierbarkeit von Geräten existiert. Er arbeitet mit Musikern, Konzept- und Performancekünstlern zusammen und nutzt Software für Performances und Installationen. Zudem arbeitet er in pädagogischen Software-Projekten mit. Seine Arbeiten werden von Lovebytes (Sheffield), MediaSpace (Plymouth) und Rhizome (New York) publiziert. Er zeigte seine Software in der 291 Gallery (London) und dem New Museum of Contemporary Art (NYC). Zudem konnte er seine Thesen im Rahmen von zwei Konferenzen zu „International Generative Art“ (Mailand) vortragen und hielt Gastvorträge a, Cornish College of Art (Seattle). Zudem wurde er auf der transmediale 01 mit dem Softwareaward ausgezeichnet und erhielt eine Lobende Erwähnung im Rahmen des Prix Ars Electronica (Linz) in der Kategorie „Interaktive Kunst“.
Adrian Ward und seine Firma Signwave haben den Auto-Illustrator und Autoshop entwickelt. Die Programme können in der Ausstellung angewendet und ausprobiert werden. Beide docken sich bereits qua Namen an so genannte Standard-Software an.
Als Kern zeigen beide Arbeiten, wie das eingesetzte Werkzeug über die Erscheinung der Grafik herrscht. Im Unterschied zur persiflierten Software beherbergen beide Programme Funktionen, die ihre Nutzung beeinträchtigen, die der BenutzerIn das Gefühl vermittelt, sie verlöre die Kontrolle. Plötzlich läuft Ungeziefer über die mühsam erstellte Grafik. Eine Wanze (engl. Bug) ist die Regel bei aller Software.
Der Begriff bezeichnet den Effekt, den ein Fehler des Programmierers erzeugt. „The world is in beta“ war der Slogan der Technik gläubigen Kultgazette Wired, und Betaware birgt in der Regel eine Menge Bugs. Dies ist es, was NutzerInnen in der Regel am meisten erzürnt: Es sind diese kleinen Fehler, die zwangsläufig aber Folge der Produktionsbedingungen sind. Wards Produkte imitieren ihre kostspieligen Vorbilder bis zu den penetranten Aufforderungen zum Registrieren oder zum Download neuer Version. Mittlerweile ist der Auto-Illustrator in der Version 1.0 erhältlich. Und genau wie die kommerziellen Produkte der Software-Produzenten nervt beim Programmstart einer früheren Beta-Version die Erinnerung, dass es im Internet ein Update gibt. Der Standard-Browser des Systems startet automatisch. Normales Arbeiten wird damit erst einmal zugunsten der Gewinnmaximierung hintan gestellt. (Matthias Weiß)

Förderer und Kooperationspartner

Ein Projekt des
medien_kunst_netz dortmund
> hartware > Museum am Ostwall > Kulturbüro Stadt Dortmund

in Kooperation mit
transmediale, Berlin
art.net.dortmund
Heinrich-Böll-Stiftung NRW (Workshop)

Kuratoren
Andreas Broeckmann, Matthias Weiß

Presse + Koordination
Ulrike Möglich, Tabea Sieben

Technische Leitung
Hans D. Christ, Uwe Gorski

Courtesy
Die KünstlerInnen
Karl-Ernst-Osthaus Museum, Hagen (Thomas Kamphusmann)

Support Ausstellung
Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW
Kulturbüro Stadt Dortmund
LS 7 Informatik der Universität Dortmund
Knobeldorff Computer GbR

Support Workshop
Landesbüro NRW /
Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW
Heinrich-Böll-Stiftung NRW

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