Was ist Kunst, IRWIN?
Die HMKV-Ausstellung Was ist Kunst, IRWIN? (Kurator*innen: Inke Arns und Thibaut de Ruyter) richtet den Blick auf das slowenische Künstlerkollektiv IRWIN, dessen Gründung sich 2023 zum 40. Mal jährt. Seit 1983 setzt sich IRWIN mit der Kunstgeschichte Osteuropas auseinander, speziell mit dem ambivalenten Erbe der historischen Avantgarde und ihren totalitären Nachfolgern, also mit der Dialektik von Avantgarde und Totalitarismus. Seit den 1990er-Jahren konzentriert sich die Gruppe auf die kritische, ikonoklastische Hinterfragung der Kunstgeschichte des „westlichen Modernismus“. Diesem stellt sie verspielt und abgründig mit der „Retroavantgarde“ einen „östlichen Modernismus“ gegenüber. In den 2000er-Jahren wird der NSK Staat in der Zeit relevant: ein Staat ohne Territorium, der jedoch Reisepässe als „confirmation of temporal space“ ausgibt. In der Vertikale auf der U3 werben während der Ausstellung Plakate für touristische Reisen dorthin.
Die Ausstellung besteht aus zwei großen Kapiteln. Das erste Ausstellungskapitel fragt nach dem schwarzen Humor, der in den Arbeiten von IRWIN stets präsent ist. Das zweite Kapitel widmet sich Fragen des Staates – und wie IRWIN damit aktuelle Themen wie z. B. Migration kommentiert.
Das HMKV-Magazin (2023/2) zur Ausstellung erschien im Oktober 2023 im Verlag Kettler. Neben neuen Essays von Inke Arns und Thibaut de Ruyter und einer umfassenden fotografischen Dokumentation der Ausstellung enthält es auch ein sogenanntes „Quellenbuch“ (Texte: Inke Arns, Lara Both), welches die Bildquellen von IRWINs Arbeiten erstmals systematisch aufschlüsselt und (kunst-)historisch einordnet.
→ Das Magazin erhalten Sie hier als Doppel-PDF zum kostenfreien Download: Die Publikation „Staatskünstler“ hier & die Publikation „Schwarzer Humor“ hier.
→ Weitere Informationen zur Ausstellung
Klappentext
Staatskünstler
Als Mitbegründer der NSK (Neue Slowenische Kunst) hat sich die Gruppe IRWIN seit ihrer Gründung im Jahr 1983 mit der Rolle, der Struktur und der Macht des Staates beschäftigt. Die Gruppe eröffnet Botschaften des NSK Staates, erstellt hyper-bürokratische Organigramme und gibt Reisepässe aus – alles, um Gewalt und Absurdität des Staatsapparats zu adressieren. IRWIN untersucht das Verhältnis zwischen der internationalen Avantgarde und der Politik und manipuliert die Ästhetik dieser, um so eine neue nationale Kunst zu schaffen. Ursprünglich als Reaktion auf die Auflösung Jugoslawiens und die Entstehung verschiedener Nachfolgestaaten gedacht, hat der 1992 gegründete NSK Staat in der Zeit in den letzten Jahren globale Bedeutung erlangt – nicht zuletzt im Kontext aktueller Migrationsfragen. Was ist ein Staatskünstler? Wenn IRWIN als ein solcher betrachtet wird, auf welche Nation beziehen wir uns dann? Wo findet die „politische Korrektheit“ ihre Grenzen? Diese Fragen werden durch die Ausstellung und die Publikation Was ist Kunst, IRWIN? aufgeworfen.
Schwarzer Humor
Schwarzer Humor ermöglicht es uns, verstörenden Themen mit einem Lächeln zu begegnen und die Gewalt und Realität der Welt zu akzeptieren. Unter allen Formen des Humors ist er der politischste und kritischste. Er hinterfragt die Grenzen des „guten Geschmacks“, die Unterscheidung zwischen sozialen Klassen und die Rolle zeitgenössischer Kunst in der Gesellschaft. Aus der Post-Punk Bewegung der 1980er-Jahre heraus entstanden, haben die fünf Mitglieder von IRWIN ein gemeinsames Interesse an komplexen Provokationen. In ihrer Arbeit eignen sie sich – mit großer Intelligenz – die Kanons der Avantgarde, Propagandabilder und regionalen Kitsch an. Sie betonen, dass ihre Kunst „todernst“ ist, machen sich aber gelegentlich auch über sich selbst lustig. Kann über alles mit jedem*r gelacht werden? Ist es ausreichend, ein Werk von Wolf Vostell zu rahmen, um es als IRWIN-Arbeit zu bezeichnen? Ist Kasimir Malewitsch tatsächlich tot und begraben? Diese Fragen werden durch die Ausstellung Was ist Kunst, IRWIN? und die Publikation aufgeworfen.