Christian von Borries: The Dubai in Me und Neverland in Me

Dortmunder U | Ebene 3

Am Donnerstag, 8. Dezember 2011, findet um 19:00 Uhr ein Gespräch mit dem Künstler Christian von Borries (Berlin) statt. Sein Film The Dubai in Me ist derzeit in der Ausstellung THE OIL SHOW des Hartware MedienKunstVerein HMKV) im Dortmunder U zu sehen (bis 19. Februar 2012). Zu Beginn findet ein Screening seines neuen Films Neverland In Me (work in progress, R: Christian von Borries, HD, 78 min., DE 2011) statt, im Anschluss diskutiert Dr. Inke Arns - künstlerische Leiterin des HMKV - mit dem Künstler über die beiden Filme.

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NEVERLAND IN ME, work in progress
a documentary essay by Christian von Borries
HD, 78 min., Germany, 2011

Since the 1980s, this world has been characterized by four developments: the growth of political democracy, the growth of Online Democracy, the growth of corporate power, and the growth of corporate propaganda as a means of protecting corporate power against democracy. The film examines consumerism, capitalism, oppression, misery rule and the help industry. People become a mass ornament, architecture a tuning tool for societies, self optimizing in file. Charity is the other side of democracy, while democracy appeares as a lifestyle option for the rich. Michael Jackson is the soundtrack of the neoliberal 80s, a choreography of democracy. The film itself is imitating democracy in a nutshell, representing a failing polyphonie. In this sense, this film is a musical journey through Kasachstan, Kosovo, Pyonyong, Detroit, Moscow, Tokyo and Berlin, a neverland, the utopia of a non-place. Thus, the film clip serves as a disappropriation of the individual torso.

tags:
dubai "land as corporation”, “hightech-feudalismus”
astana "capital as identity tool”, “power as ritual kingdom”
pristina "colony as ethnofuturistic killer”, “power as government”
fashion bloggers, michael jackson, cosplayer, soldiers, music videos, turf dance.

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THE DUBAI IN ME
DE 2010, R: Christian von Borries, HD Video, 87:00 Min.

Dubai ist die Hauptstadt eines arabischen Emirats gleichen Namens am Persischen Golf, das durch seine Ölfelder zu unermesslichem Reichtum gelangt ist. In regelmäßigen Abständen lässt sich die mediale Öffentlichkeit von himmelsstürmenden Bauprojekten im Stil von Burj al Arab, dem wohl luxuriösesten Hotel der Welt, oder Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Erde, blenden und beeindrucken. Sie evozieren das mythische Bild von märchenhaftem Reichtum und unendlichen Möglichkeiten. Sie symbolisieren Macht und Einfluss der regierenden Monarchie, die das Emirat im Stil eines Familienunternehmens verwaltet, der Dubai Holding. Christian von Borries schaut in seinem Film The Dubai in Me hinter die hochglanzpolierte Fassade der Stadt, indem er die Blickrichtung ändert: Statt das megalomanische Bauwerk The World aus der gewohnten Vogelperspektive zu zeigen, die man aus den Medien kennt, setzt er sich mit den Lebens- und Arbeitsverhältnissen der billigen asiatischen Arbeitskräfte auseinander, deren Ausbeutung ein derartiges Immobilienprojekt erst möglich macht. Die Idee: Das gigantisches Abbild einer Weltkarte durch das Aufschütten von künstlichen Inseln ins Meer vor der Küste Dubais zu zeichnen, die für ca. 30 Millionen Dollar pro Insel an solvente Eigentümer verkauft werden sollten. Ein Projekt, das aufgrund der weltweiten Finanzkrise auf unbestimmte Zeit stillgelegt worden ist. Mit Hilfe einer digitalen Fotokamera, die in der Lage ist, hochauflösende Filmclips aufzunehmen, zeigt Christian von Borries die Lebens- und Arbeitswirklichkeit von Dubai aus der Perspektive der Menschen, die diese Stadt und ihre architektonischen Träume mit ihrer Arbeitskraft errichten — von unten. Diese Bilder stellt er den computergerenderten Werbeclips der Dubai Holding gegenüber, die als eigentliche Währung im globalen Immobiliengeschäft eingesetzt werden und mehr mit der virtuellen Realität eines sozialen Netzwerks wie Second Life gemeinsam haben als mit funktionaler Architektur- oder Ingenieurskunst. Second Life basiert auf dem alten Menschheitstraum eines Neuanfangs — ein neues Leben in der virtuellen Realität des Internets zu beginnen, diesmal alles richtig zu machen und reich zu werden. Durch die Möglichkeit, ›reales‹ Geld in ›virtuelles‹ Geld tauschen zu können, hat sich Second Life schnell zu einem Abbild der deregulierten globalen Marktwirtschaft entwickelt. Um in diesem Netzwerk für einen Monat das virtuelle Pendant einer der Inseln von The World zu mieten, müsste ein Gastarbeiter in Dubai vier Monate lang arbeiten, rund 864 Stunden. Ohne den Kommentar eines sich moralisch überlegen fühlenden westlichen Künstlers findet von Borries in seiner Arbeit Bilder für die vielen Fragen, die unsere globalen Medien nicht stellen, weil sie unweigerlich weitere Fragen nach den (bröckelnden) Fundamenten des Wohlstands und der Hegemonie des Westens nach sich ziehen würden.
Fabian Saavedra-Lara

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Christian von Borries (*1961) stellt Medien aus anderen Medien her. Er ist Orchesterdirigent, Komponist und Produzent ortsspezifischer psychogeografischer Projekte. Werke von ihm wurden u.a. vom Lucerne Festival, Kunstfest Weimar, der Volksbühne Berlin und der Documenta 12 in Auftrag gegeben. Seine CD Replay Debussy wurde mit einem Echo Preis ausgezeichnet. Sein erster Film The Dubai in Me wurde auf dem FI D Marseille Filmfestival ausgezeichnet und wurde in Ekatarinburg, Madrid und Berlin sowie auf Filmfestivals weltweit gezeigt. Von Borries ist Anti-Copyright-Aktivist und lebt in einem Gewächshaus in Berlin. 2010 und 2011 war er Gastprofessor an der Kunstakademie Nürnberg.

www.masseundmacht.com
www.the-dubai-in-me.com
www.hegemonietempel.net

 

 

Presse

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Podcast // Künstlergespräch Christian von Borries

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